Weltreise Teil 7  

Alltag in Pakistan: Dromedare, überladene Busse und Ochsengespanne

 

Von Bahawalpur fuhren wir nordwärts über Multan nach Lahore. Unterwegs legten wir am Strassenrand einen Zwischenhalt ein und erhielten Besuch von einem Pakistani mit seinem Dromedar. In Lahore wollte man uns unbedingt Heroin verkaufen. Ein zwielichtiger Händler meinte, ein paar Kilos wären für uns ein gutes Geschäft. Wir hatten noch nie irgend ein Rauschgift konsumiert und schon gar nicht damit Handel betrieben. Also liessen wir den Rauschgifthändler stehen und fuhren weiter.  

Unterwegs waren die Buskarawanen ein gutes Fotosujet. Im Businneren sassen die Passagiere 1. Klasse und auf dem Dach diejenigen mit Fahrkarten 2. Klasse oder ohne zu zahlen. Dass die klapprigen Vehikel immer mal wieder schlapp machten war normal und meistens wurden diese an Ort und Stelle wieder fahrbar gemacht. Nicht zu reparierende Unfallfahrzeuge lagen in der Regel monatelang auf der Strasse und wurden mit Steinbrocken "abgesichert". Es kam oft vor, dass solche Unfall- oder Pannenfahrzeuge entfernt wurden, die grossen Absicherungssteine jedoch nicht. Dies bedeutete, dass man immer gut aufpassen und im Slalom die Hindernisse umfahren musste.

Ein Ochsengespann vor einem einachsigen Karren mit Spezial-Aufbau.

Am Khyber Pass, Knatsch am Zoll und Impressionen von Afghanistan    

Von Lahore, Rawalpindi und Peshawar erreichten wir den bekannten Khyber-Pass Richtung Afghanistan. Noch mussten wir die beiden Zollstationen überstehen. Also nichts wie rein ins erste Zollhaus der Pakistanis. Annemarie hütete draussen das Auto, während ich dem Zöllner unsere Pässe hinstreckte. Dieser erkundigte sich nach unseren Deklarationspapieren im Doppel.

Ein eisiger Schreck durchfuhr mich. Das waren doch genau die Papiere, welche uns die Zöllner noch an Bord der Chinkoa zum Ausfüllen übergeben hatten und die vom Käpten als Schmarren deklassiert worden waren. Er hatte uns empfohlen diesen Mist nicht auszufüllen. Ich machte auf Hase und wusste von nichts. Der Zöllner blieb hart und verlangte, wir sollten nach Karatschi zurück, die Papiere ausfüllen und abstempeln lassen und je zwei Exemplare zurückbringen. „In etwa sechs Wochen seid ihr ja bestimmt zurück...“ Ich veranstaltete ein Riesengestürm, aber der Beamte blieb stur. Doch dann quietschten draussen die Reifen eines Autos und kurze Zeit später kam ein hoher Zollbeamter ins Büro. Sofort mischte er sich in unsere Diskussion und nahm die beiden Pässe an sich. Die beiden Uniformierten entfernten sich in ein Hinterzimmer. Immer wenn die Türe zu diesem Raum aufging, entdeckte ich, wie die beiden Männer unsere Pässe von vorn nach hinten und von hinten nach vorn durchblätterten. Schliesslich kam der hohe Beamte wieder zu mir, tippte auf den Stempel und die Unterschrift des Oberzolldirektors in Karatschi und fragte: „Wie kommt diese Signatur in den Pass?“

Jetzt kam der Moment des grossen Bluffs. Lässig erklärte Heinz dem Beamten, dass der Oberzolldirektor in Karatschi unser Freund sei und dass er uns höchst persönlich im Hafen von Karatschi empfangen und für uns die Formalitäten erledigt habe, deshalb der Stempel und seine Unterschrift in unseren Pässen und deshalb hätten wir auch keine Deklarationspapiere ausfüllen müssen.

Einen Moment überlegte der Zöllner, dann sagte er kurz und knapp: „Go“ und übergab mir die Pässe. „Ja wohin go? nach Karatschi?“ - Nein, wir sollten weiterfahren nach Afghanistan!

 

Bild oben: Eine steile und gut ausgebaute Strasse schlängelt sich durch die hohen Berge über den Khyber-Pass von Pakistan nach Afghanistan.

In der afghanischen Hauptstadt Kabul übernachteten wir im VW-Bus vor dem Hotel Kabul, dem grössten und schönsten Haus am Platz. Kaum waren wir spät abends im Bett, da klopfte jemand an unser Auto. Es waren Michel und Eugenie Ray aus Biel, die mit einem gleichen Bus in der Gegenrichtung unterwegs waren. Wir standen nochmals auf und luden die Landsleute zu einem Kaffee mit Träsch ein. Diese Flasche Apfelschnaps hatten wir von zu Hause mitgenommen und nur bei ganz speziellen Gelegenheiten ein wenig davon genossen. Bis spät in die Nacht tauschten wir Erfahrungen aus. Wir erhielten wertvolle Tipps über Afghanistan, Iran sowie die Türkei und von uns erfuhren die Bieler Hinweise über Pakistan. 

Die Russen bauten den Afghanen die Überlandstrasse durch das ganze Land. Von Kabul südlich nach Kandahar und nordwestlich nach Herat. Unterwegs hatte es nur wenige Tankstellen, darum musste man bei jeder Zapfstelle voll tanken, denn es war möglich, dass bei einem Ort kein Benzin erhältlich war oder der Besitzer einfach keine Lust hatte, den Treibstoff zu verkaufen! Das passierte uns tatsächlich!    

Vier wilde Dromedare überqueren vor uns die Strasse.

Oben: Topfebene und karge Wüste und im Hintergrund ein ebenso kahles Gebirge zwischen Kandahar und Herat.

Rechts: Abendstimmung mit Wolken mitten in der Wüste

Hinter Herat, am afghanischen und iranischen Zoll brauchten wir Nerven und zwei Stunden, denn wir wollten noch gleichentags bis nach Mashhad, der ersten grossen Stadt im Iran.  

Durch den Iran und das wilde Kurdistan (Karl May lässt grüssen) ans Schwarze Meer

 

 

 

 

Von Mashhad führte eine sehr schlechte Strasse durch eine wüste Wüste rund fünfhundert Kilometer bis nach Gorgan am Kaspischen Meer. Für diese Route benötigten wir volle 12 Stunden Fahrzeit und hatten zweimal einen platten Reifen. Zum Glück waren zwei Reserveräder an Bord.

Spät abends erreichten wir das Etappenziel Gorgan und waren glücklich, dass wir die schwierige Strecke ohne grössere Probleme  bewältigen konnten. Als Belohnung machte Annemarie ein "Festessen" mit Rösti und Randensalat aus Schweizer Konservenbüchsen. Nach vielen Monaten unterwegs schraubten wir die festlichen Ansprüche tüchtig nach unten!  

Von Gorgan führte uns die Route über Now Shahr nach Teheran. Dort mussten wir den Motor reinigen lassen, weil eine dicke Dreckkruste an den Zylinderlamellen klebte. Vor der Garage schrieb ich das Tagebuch auf einem alten Ölfass. Für die Schreibarbeiten hatte ich eine kleine Schreibmaschine vom Typ Hermes Baby dabei. Weiter ging die Reise nach Tabriz und am 5137 Meter hohen Berg Ararat (Bild oben) vorbei nach Erzurum in der Türkei.

In Kurdistan machten wir einen Stopp bei einer Tankstelle weit ausserhalb einer Ortschaft. Der Tankwart hatte in seinem Büro eine Anzahl Gewehre, welche schön aufgereiht an der Wand standen. Ich fragte nach dem Preis der Schiesseisen. Der Mann wollte die Gewehre nicht verkaufen, denn die waren für seine Selbstverteidigung bestimmt. Die Garage wurde schon oft überfallen, deshalb hatte sich die ganze Mannschaft mit Gewehren bewaffnet, um sich bei erneuten Überfällen zu wehren.

Als wir die Türkei erreichten, waren wir glücklich, dass unsere Autoversicherung wieder Gültigkeit hatte. Den von Karatschi bis zur iranischen Westgrenze fuhren wir ohne jeglichen Versicherungsschutz!  

 

Über hohe Pässe erreichten wir die Hafenstadt Trabzon und am Schwarzen Meer entlang die Stadt Samsun. Bild links: Entlang dem Schwarzen Meer. Via Ankara, Istanbul, Thessaloniki, Skopje, Belgrad, Maribor erreichten wir Wien.

Winter in Europa

Am 225. Tag unserer Reise erreichten wir die österreichische Hauptstadt Wien. Es war am Sonntag, den 23. November 1969. Wir campierten die erste Nacht direkt vor dem Westbahnhof und froren erbärmlich, weil wir keine Standheizung im Auto hatten. Anderntags kauften wir eine "Kurpackung" Rechaudkerzen und am Morgen zündeten wir einfach alle 36 Kerzen an und hatten nach kurzer Zeit ein warmes Auto.

Die Leserinnen und Leser erinnern sich an die FANTA-Flaschen, welche uns der Diener im Palast von Bahawalpur organisierte. Die leeren Flaschen verstauten und verkeilten wir im Radkasten unter dem Fahrersitz. In Wien lösten sich die Flaschen und klirrten unter dem Sitz. In einem kleinen Lebensmittel-Laden kauften wir ein und übergaben der Bedienung die leeren FANTA-Flaschen aus Pakistan. "Des Flascherl hab' i noch nie g'sehn", meinte der Ladenbesitzer und vergütete uns trotzdem das Flaschenpfand! Hätte ich dem Mann erzählt, woher die Flaschen stammen, er hätte dies bestimmt nicht geglaubt.

Bei einem solchen Winterwetter machte das Campieren ohne eine richtige Standheizung nicht mehr Spass. Hier auf einem Parkplatz in der Lobau,  einem Aussenbezirk von Wien.

Via München erreichten wir am Sonntag, den 30. November 1969 die Schweiz und unser Domizil in Zofingen. Unsere Eltern waren überglücklich, dass wir gesund und munter zurückkehrten.     

Gegen Ende der Reise hatten wir eine Menge Gegenstände im Auto, wie Geschenke, Andenken und Waren aller Art. Jeden Abend mussten wir die Sachen vom Wohnraum auf den Fahrer- und Beifahrersitz zügeln und am Morgen wieder zurück in den hinteren Teil des Fahrzeugs. Als wir am Schweizer Zoll in Kreuzlingen eintrafen, fragte der Zöllner ob wir zollpflichtige Waren dabei hätten. Wir erzählten ihm von unserer Weltreise und er müsse halt ins Auto kommen und nachsehen, was allenfalls verzollt werden müsste. Er überlegte kurz, blätterte unsere Pässe durch und liess uns dann ohne eine Kontrolle im VW-Bus weiterfahren. 

Zusammenfassung

Wir starteten unsere Reise am Montag, den 14. April und kehrten nach 232 Tagen am Sonntag, den 30. November 1969 zurück.

Mit dem VW-Bus fuhren wir genau 43'782 km

Einen Unfall hatten wir nicht, jedoch drei totale Motorenschäden: Ausserhalb New York im Hudson Valley und in Montreal. Beide Werkstätten reparierten den Motor (verbrannte Ventile) für uns kostenlos, denn VW USA und VW Kanada übernahmen grosszügig die Reparaturkosten. Als wir wieder in der Schweiz waren, musste der Motor nochmals wegen den Ventilen total überholt werden. VW Schweiz bestand auf die Bezahlung von mehreren tausend Franken, kaufte jedoch für den gleichen Betrag von uns eine Reportage für die VW-Zeitung. So wurde uns nach aussen die Reparatur nicht geschenkt, aber im Endeffekt war für uns die Reparatur dennoch kostenlos.

Während der Reise verbrauchten wir SFr. 11'893.00 für Benzin, Verpflegung und sonstige Ausgaben. 

Die Schiffspassagen auf Frachtschiffen für uns und das Auto waren teuer, denn wir bezahlten total SFr. 13'627.00:

Atlantic (Europa - USA ) SFr. 3'440.00, Pacific (USA - Japan) SFr. 5''745.00, Indischer Ocean (Japan - Pakistan) SFr. 4'442.00

Durchschnittliche Kosten pro Tag (ohne Schiffsreisen) SFr. 51.26 - inklusive Schiffsreisen SFr. 110.00

Die durchschnittlichen Tageskosten waren in den verschiedenen Ländern wie folgt: In USA SFr. 49.-, in Japan SFr. 49.-, in Pakistan SFr. 39.-, in Afghanistan SFr. 20.-, in Iran SFr. 57.-, in der Türkei SFr. 54.- (weil Hotelaufenthalt in Teheran und Istanbul), in Österreich SFr. 47.-

Wir machten während der Reise rund 2'500 Farbdias, Super 8 Filme und viele Tonbänder und organisierten anfangs 1970 verschiedene öffentliche Infoabende mit Dia- und Filmvorträgen.

 

Start in Zofingen, via Frankfurt, Bruxelles, Brügge nach Antwerpen und mit dem Frachtschiff "SS American Clipper" über den Atlantic nach Wilmington in North Carolina, Charleston, West Palm Beach, Miami, Tallahasee, New Orleans, Memphis, Nashville, Indianapolis, Chicago, Detroit, Columbus, Washington DC, Philadelphia, Baltimore, New York, Montreal, Toronto, Chicago, Milwaukee, Green Bay, Iowa City, McLean, Deadwood, Yellowstone Park, Boise, Silver City, Lake Louise, Seattle, Reno, Squaw Valley, Tahoe, Los Angeles und mit dem Frachtschiff "SS Illinois" von San Francisco nach Yokohama in Japan.  

 

Yokohama, Tokyo, Nikko, Kamakura, Nikko, Yamanaka, Shizuoka, Hamamatsu, Okazaki, Kyoto, Lake Biwa, Otsu, Nara, Osaka, Gifu, Suzuka, mit der "MS Chinkoa" von Nagoya, nach Yamata, Moji, Hongkong bis Karatschi. Auf dem Landweg weiter nach Khairpur, Bahawalpur, Multan, Lahore, Rawalpindi, Hattian, Peshawar, Kabul, Kandahar, Delaram, Herat, Mashhad, Gorgan, Teheran, Tabriz, Marand, Erzurum, Trabzon, Samsun, Ankara, Istanbul, Thessaloniki, Skopje, Belgrad, Maribor, Graz, Wien, Salzburg, München, Konstanz, Zofingen  

Den VW-Bus kauften anfangs 1970 zwei Weltenbummler aus Olten, die mit dem Bus nach Indien fuhren und ihn dort an einen Deutschen verkauften. Dieser Mann kam mit dem Auto zurück in die Schweiz und besuchte oft seine Freunde, die Musikgruppe "Minstrels" (mit ihrem Bestseller Song: Grüezi wohl, Frau Stirnimann) im Kanton Appenzell. Ein Ingenieur, von der damaligen Firma Brown-Boveri in Baden, kaufte den Bus im Appenzellerland und machte mit seiner Frau Wochenendausflüge in der Schweiz. Wir entdeckten dieses Paar einmal auf der Autobahn bei Safenwil und ein zweites Mal im Toggenburg. Mitte der 70er Jahren hatten wir die Spur zu unserem ehemaligen VW-Bus leider verloren.    

Heute wäre die gleiche Reise praktisch unmöglich, denn erstens gibt es fast keine Stückgutfrachter mehr, die Ware und Passagiere mitnehmen und zweitens ist die politische Lage in Afghanistan, Iran, Kurdistan alles andere als sicher.     

Dafür gibt es heute viele Errungenschaften und Erleichterungen gegenüber 1969: Kreditkarte als Zahlungsmittel, GPS als Wegweiser, Internet für die Kommunikation und Information, Laptop für Notizen und Reiseberichte, Handy für Telefonate, Video statt Super 8 Filme, Digitalkameras mit viel Speicher, Minifernseher in Farbe für unterwegs, Taschenrechner für Geldkurs-Umrechnungen. Ausrüstungen für das Fahrzeug: Kompressor-Kühlschränke, die in jeder Lage funktionieren, raffinierte, hygienische WC's für Wohnbusse, bessere Isolationen für die Karosserie, perfekte Standheizungen für kalte Nächte und Air-Kondition für heisse Tage,  leistungsfähigere Notstromaggregate für 220 Volt an Bord, bessere Motoren, Servolenkung, sowie mehr Werkstätten und zum Teil bessere Strassen.