Weltreise Teil 5  

Von USA nach Japan

Freudig teilte uns der japanische Botschafter in San Francisco mit, dass ab 1. September 1969 alle in Japan temporär eingeführten Autos nicht mehr japanische Nummernschilder tragen müssen und dass der Chauffeur keine zusätzliche Autoprüfung ablegen muss. Am Freitag, den 12. September erreichten wir an Bord des Frachters "Illinois" den Hafen von Yokohama. Vom Kapitän erfuhren wir, dass unser Auto nicht vor dem nächsten Dienstag aus dem Zolllager ausgeliefert werde. Unser VW-Bus wurde vom Zoll direkt in ein Lagerhaus gebracht und wir starteten den Hürdenlauf durch 15 verschiedene Instanzen. Vom Zollbüro zum Lagerhaus, vom Lagerhaus zu einem anderen Zollbüro, von da zurück zum Lagerhaus, dann wieder zum Zollbüro und von da zum Automobilclub, vom Automobilclub zur Versicherungsagentur und von der Versicherung zurück zu einem dritten Zollbüro. Wir füllten überall ruckzuck die japanischen Formulare aus, die wir nicht lesen konnten und einfach nach Gutdünken ergänzten. Die Beamten konnten unsere Schreibweise nicht entziffern und so spielte es keine Rolle, was wir ausgefüllt hatten. Am Abend konnten wir tatsächlich unseren VW-Bus in Empfang nehmen und der Käpten konnte es fast nicht glauben, dass wir das Auto noch gleichentags aus dem Hafen fahren durften. Man versicherte uns, dass der VW-Bus das allererste Auto ist, welches mit ausländischen Nummernschilder auf Japan's Strassen verkehrte. Wir fuhren von Yokohama direkt nach Tokyo und campierten in der Nacht zum Samstag vor dem Eingang zur Schweizer Botschaft.  

11. Sept. in Yokohama 13. bis 23. Sept. in der Schweizer Botschaft
10 Tage nach der Abreise von San Francisco landeten wir mit dem Frachter S/S Illinois im japanischen Yokohama. Am nächsten Tag begann unser Marathon durch die Amtsstellen. Dr. Cramer, Chef der Schweizer Botschaft in Tokyo erlaubte uns, dass wir im Garten der Botschaft campieren durften. Wir wurden vom Personal richtig verwöhnt und fühlten uns in der  Residenz wie zu Hause.  

Impressionen auf Japans Strassen

Alle Wegweiser sind in japanischer Zeichensprache und weil man die Ortsangaben auf verschiedene Arten schreiben kann, ist auch der Vergleich mit den Zeichen auf der Strassenkarte nicht immer möglich. Auf der Tafel im Bild rechts konnten wir wenigstens lesen, dass die Strecke nur noch 26 km ist.

 

Für die Leute auf der Schweizer Botschaft waren wir eine gelungene Abwechslung und der Botschaftsrat Dr. Cramer erlaubte uns sogar, innerhalb des Botschaftsareals im Park zu campieren und am ersten Abend wurden wir von Dr. Cramer zum Nachtessen eingeladen. In den darauf folgenden Wochen machten wir von Tokyo immer wieder Ausflüge in alle Richtungen und waren stets Anlass zu Menschenansammlungen, weil der VW-Bus als Campingwagen in Japan absolut unbekannt war und auch unser komisches AG-Nummernschild. In japanischen Lettern schrieben wir auf beide Autotüren "von der Schweiz aus rund um die Welt".     

 

 

 In Japan ist Linksverkehr

In den Orten sind die Strassen oft sehr eng 

Wir verabschiedeten uns von den Leuten in der Schweizer Botschaft und machten uns auf den Weg in Richtung Osaka und Kyoto. Weil wir die Strassenkarten und Ortschaftstafeln nicht oder nur mit grösster Mühe entziffern konnten, kauften wir uns einen Kompass, um sicher zu sein, dass wenigstens die Richtung in etwa stimmte.   

 

Annemarie neben fremden Wäsche

Am Lake Biwa campierten wir neben einer Tankstelle. An einem Abend "diskutierten" wir mit dem Tankwart mit einem Zettelblock, sowie mit Händen und Füssen. Er konnte nur japanisch und wir nicht. Ein Beispiel: Ich wollte ihm erklären, dass es in der Schweiz viele Autos der Marke Toyota gibt. Ich zeichnete ein Auto und sagte "Toyota" so, wie wir es normalerweise in der deutschen Sprache aussprechen. Der Tankwart konnte nichts begreifen und schüttelte den Kopf. Da fuhr ein Toyota zur Tankstelle und ich zeigte auf das Auto und rief laut "Toyota". Der Japaner lachte und erwiderte "Too-yooo-ta"! (mit einem ganz scharfen "A" am Schluss) In der japanischen Sprache muss man ganz richtig betonen, sonst wird man nicht verstanden.

Bilder oben: Camping am Lake Biwa mit grosser Wäsche; im Stadtpark von Nara laufen die Rehe frei herum;   

Werkbesichtigung in der Honda Motorradfabrik

Am 166. Tag unserer Reise erreichten wir Hamamatsu, das Domizil der Honda-Motorradfabrik. Ohne Anmeldung verlangten wir im Bürogebäude den Chef und fragten keck, ob wir als Schweizer Motorradfans, die Fabrikanlagen besichtigen könnten. Sofort wurde uns ein Angestellter zur Verfügung gestellt und der führte uns durch das ganze Werk. Nach einem Mittagessen in der Kantine durfte ich auf der hauseigenen Teststrecke eine brandneue Honda 750 four probefahren.  

  

Der Eingang zum Honda-Motorradwerk in Hamamatsu. Rechts das obligate Bild mit unserem Mann, der uns durch das Werk führte, Annemarie, dem obersten Chef und seine Sekretärin. Alle Honda-Mitarbeiter vom big Boss bis zur Putzfrau sind weiss uniformiert!

 

Die Honda 750 four, war 1969 der absolute Knüller in Sachen Motorradbau. Vereinzelt sahen wir diese Maschine schon auf Japan's Strassen. Ich war also der erste Schweizer, der in Japan diese Prachtsmaschine fahren durfte. Bild links: Die beiden Testfahrer (mit Mütze) stellten für mich die neue Honda mit Hondahelm und weissen Handschuhen auf der Teststrecke bereit. Der Akku wurde nur provisorisch mit Gummriemen auf dem Rücksitz befestigt.

Ein Jahr später kauften wir in der Schweiz ein solches Motorrad und zufällig in der genau gleichen, dunkelgrünen Farbe, wie die Testmaschine in Hamamastu. Übrigens, unsere Maschine ist nun 40 Jahre alt und nach wie vor unser Freizeit-Fahrzeug mit weit über 170'000 km und dies ohne grosse Reparaturen! 

Der Schweizer Pavillon an der Weltausstellung in Osaka   

  

Zuoberst auf dem Baugerüst vom Schweizer Pavillon

Im Herbst 1969 wurde in Osaka am Aufbau der vielen Pavillons für die Weltausstellung von 1970 gebaut. Durch Zufall trafen wir Herrn Spörri aus Oberentfelden. Er war der zuständige Architekt für den Schweizer Pavillon und hatte uns zu einem Rundgang eingeladen. Mit dem obligatorischen Helm auf dem Kopf wurden wir durch das Gelände geführt und standen schliesslich zuoberst auf dem Baugerüst, während unten vor dem Schweizerhaus zwei Polizisten und ein Arbeiter interessiert unser Auto inspizierten.

Herr Spörri gab uns einen Spezialpass, der uns ermöglichte, ungehindert durch das ganze Expogelände zu flanieren und den VW-Bus zu parken, wo es uns beliebte.     

Die Tempelanlagen von Kyoto und zu Gast bei einer japanischen Familie

Vitamin B (Beziehungen) sind auf einer Weltreise das A und O. In Philadelphia (USA) besuchten wir die Schweizerfamilie Zimmerli und Kurt Zimmerli wiederum hatte exzellente Geschäftsverbindungen in Japan. Auf seine Empfehlung besuchten wir in Kyoto die Maschinenfabrik Kyoto Kikai und wurden vom President Mister Koichi Nakaguchi wie alte Freunde herzlich empfangen. Man zeigte uns die Fabrikanlagen und die Tempelanlagen von Kyoto. Am Abend wurden wir zu einem echten, japanischen Nachtessen eingeladen. Nach der Vorspeise mit Gemüse und Meeresfrüchten, kam der Hauptgang "Shabi-shabi", das ist sehr zartes Rindfleisch, welches am Tisch im heissen Wasser gegart wird. Zum Abschluss folgten Suppe, Reis und Pickles, sowie frische Früchte als Dessert. Die Bilder oben: Der bekannte, goldene Pavillon Kinkaguchi in den Tempelanlagen, Heinz, Annemarie und unsere Begleiter von der Firma Kyoto Kikai. 

 

Vor den Tempelanlagen sprach uns eine Japanerin in englischer Sprache an und lud uns spontan in ihr Haus in Osaka ein. Wir wohnten also bei dieser Familie und am Abend wurde Annemarie nach japanischer Manier eingekleidet. Am Morgen gab es dann ein japanisches Frühstück, bestehend aus Suppe, Reis, Fisch, sauren Gurken und Grüntee, aber kein Kaffee und keine Gipfeli.

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Der Medienrummel im Hafen von Nagoya

Während unserem Aufenthalt in Japan mussten wir schon bald die Weiterfahrt mit einem Schiff planen. Wie früher in San Francisco besorgten wir uns die sogenannte "Hafenzeitung". Das ist ein Fachblatt der Reedereien, wo alle - für uns wichtigen - Angaben aufgeführt sind: Welches Schiff von welcher Reederei, an welchem Tag nach welchen Destinationen ausläuft. Die damals einzige Passagierlinie - die französische Messagerie Maritim - hatte ein Schiff welches von Yokohama alle wichtigen Häfen in Asien bediente und rund um Afrika bis nach Marseille fuhr. Das Angebot dieser Gesellschaft war jedoch sehr teuer. Schliesslich entdeckten wir die British-India-Line, deren Frachtschiff "MS Chinkoa" von Nagoya via Kokura (ein Hafen im Süden von Japan) und Hongkong nach Bombay und Karatschi fuhr. Bei den Franzosen hätte die günstigste Variante total Fr. 4'700.00 gekostet. Heinz mit neun fremden Männern in der Emigrantenklasse und Annemarie mit neun Frauen in einem Schlafsaal ganz unten neben dem Maschinenraum und der VW-Bus im Frachtraum. Für Fr. 4'442.00  waren wir auf dem englischen Frachter Erstklass-Passagiere in einer Oberdeckkabine mit Bad, einem eigenen Steward und täglich am Tisch vom Kapitän! Da war sofort klar, dass wir im gediegenen Ambiente auf dem Frachtschiff der British-India-Line von Japan in Richtung Westen fuhren und nicht unten im "Rattenloch" des französischen Musikdampfers.

Die MS Chinkoa war mit 7102 Bruttoregistertonnen das kleinste Schiff der British-India-Line. Sie wurde 1950 bei Barclay Curle Shipyard in Glasgow gebaut und hatte 1972 in Antwerpen eine Kollision mit einer Brücke! Das Schiff wurde nach nur 22 Jahren in Spanien verschrottet, weil sich eine Reparatur nach dem Unfall nicht mehr lohnte.

Am Dienstag, den 7. Oktober trafen wir mit unserem VW-Bus im Hafen von Nagoya ein. Die Zollformalitäten am Hafentor waren rasch erledigt, doch der Chef vom Zoll hatte noch eine Überraschung für uns. Als wichtiger Mann im Hafen von Nagoya verfügte er über gute Verbindungen zur Presse und dem Fernsehen. Innert kurzer Zeit kamen die Reporter von zwei Fernsehstationen und von sechs Zeitungen angesaust und wollten mehr über die Schweizer und den VW-Bus wissen. Kurzerhand wurde im Zollbüro eine Pressekonferenz durchgeführt und die Fernsehleute demontierten die Fenster vom Zollhaus, damit sie besser von aussen ins Büro filmen zu konnten. Wir waren total überfahren, denn nach vier Wochen Japanaufenthalt, wurde wegen uns so einen Zirkus inszeniert. Bereits zwei Stunden nach dem Medienüberfall, konnten wir im nationalen Fernsehen auf Kanal 1 die Reportage in der Tagesschau sehen. Die Sendung wurde noch mehrmals auf zwei Sendern bis spät in die Nacht ausgestrahlt und in sechs grossen Tageszeitungen erschien anderntags einen ausführlichen Bericht in Wort und Bild.      

Die Pressekonferenz im Zollbüro, Heinz mit dem Rücken zur Kamera und direkt vor ihm der Zolldirektor in Uniform, ebenfalls sitzend. 

1969 gab es noch kein Video, darum filmten die TV-Reporter unseren VW-Bus mit Schmalfilmkameras.

Ausschnitte aus der Tagesschaureportage:

Anfahrt mit dem Bus, die Autonummer und die Inneneinrichtung von unserem Auto

Die Pressekonferenz im Zollbüro, Annemarie's blonde Haare und meine Schilderungen, was wir in Japan alles erlebt hatten und wohin die Reise nun weitergeht.

Der Zollchef erklärte uns, dass er in der Regel die Medien in den Hafen kommen lasse, wenn irgend ein Kriminalfall passierte, wie Drogenfund oder Mord und Totschlag - aber dieses Mal war es eine lustige und interessante Story! Noch am gleichen Tag traf die MS Chinkoa pünktlich in Nagoya ein und wir wurden vom Kapitän und seiner Mannschaft an Bord begrüsst.