Weltreise Teil 1  

Die Idee und die Vorbereitung

Schon vor unserer Vermählung im Mai 1964 hatten wir die Idee eine grosse Reise rund um den Erdball zu machen. Statt neue Möbel, kauften wir uns zur Hochzeit einen gebrauchten VW-Bus und bauten diesen eigenhändig in einen Wohnbus um. An Wochenenden und in den Ferien wurde dieser Bus getestet und später auch mehrmals abgeändert und verbessert. Ab 1968 wurde dann mit der effektiven Planung begonnen, Reiseliteratur studiert und auf Strassenkarten die mögliche Route bestimmt. Ende 1968 wurden langsam aber sicher die Brücken abgebrochen, das heisst, die Stelle gekündigt, Annemaries Coiffeurgeschäft verkauft und die Wohnung gekündigt. Dann kauften wir das neuere Modell vom VW-Bus mit rund 25'000 km und bauten ihn in der Safenwiler Schreinerei Suter zu einem Wohnbus um. Die Erfahrungen vom alten Bus konnten wir beim zweiten Ausbau optimal einfliessen lassen. Ich machte die Planung und Vorarbeiter Walter Lehmann brachte seine Kenntnisse als Schreiner ins Projekt ein. Mitte März war der Umbau abgeschlossen. Gleichzeitig besorgten wir uns die diversen Visa, machten im Tropeninstitut in Basel die notwendigen Impfungen und beim Bankverein in Zofingen liessen wir einen Kreditbrief erstellen, mit dem wir an rund 100 Bankstellen in aller Welt Geld abheben konnten, weil die Kreditkarte damals noch nicht weltweit einsatzfähig war. Der Hausarzt stellte uns eine Medikamentenschachtel zusammen und der VW-Garagist erklärte mir die möglichen Reparaturfälle und übergab uns ein Sortiment von Verschleiss- und Ersatz-Teilen.     

Bild links: Wohnraum im Bus mit Tisch für 3 Personen, links Küchenkorpus mit Gasrechaud, hinten links Schrank für Kleider und Wäsche, oben Stauraum und ein aufgehängtes Reserverad; das zweite Reserverad befand sich auf dem Dachgepäckträger. Bild rechts: Der absenkbare Tisch konnte mit den Sitzpolstern und Rücklehnen zu einem bequemen Doppelbett umgebaut werden. 

Bilder von links nach rechts: Küchenkorpus mit Kühlschrank (Gas und 12 Volt), Waschbecken und 2-Flammen-Gasrechaud - unter dem Einzelsitz war eine versteckte, chemische Toilette eingebaut - das Hubdach mit Moskitonetz erlaubte im Wohnbereich volle Stehhöhe - im Motorenraum war ein kleiner Generator eingebaut, der 220 Volt mit rund 80 Watt lieferte. Für das Licht am Abend und zum Laden der Akkus für das Tonbandgerät und Filmkamera..  

Der Start und die ungemütliche Seereise

Am Montagmorgen, den 14. April 1969 um 10.30 Uhr war es dann soweit. Eine kleine Gruppe von Verwandten und Freunden verabschiedeten sich von uns und wir fuhren Richtung Belgien ab.

Das Frachtschiff hatte Verspätung und traf erst am Samstag, 19. April in Antwerpen ein. Am Pier 340 erreichten wir mit unserem Bus den Frachter. An vier Drahtseilen hievten die Dockarbeiter unser Auto hoch und verkeilten es im Laderaum mit dicken Holzbalken und Stahlseilen. Vorn, hinten, auf jeder Seite und sogar auf dem Dach vom Bus war ein Schweizerkreuz. Ich witzelte: "Wir haben sogar auf der Wagenunterseite ein Schweizerkreuz, damit eine - von uns überfahrene - Person noch sehen kann, dass ihn ein Schweizer überrollt hat..!" Die "SS American Clipper" der United State Lines war ein schwimmender Rosthaufen mit einer lahmen Dampfturbine und einem total verkrusteten Unterwasserschiff. Das Schiff wurde 1944 gebaut und hatte den ersten Einsatz während der amerikanischen Invasion in den Jahren 1944 und 1945. Nach unserer Fahrt von Europa nach USA wurde der Frachter von einer griechischen Hinterhof-Reederei zum Schrottpreis übernommen.

Kapitän Charles R. Stevens

Kapitän Charles R. Stevens begrüsste uns als seine einzigen Passagiere an Bord. Stevens entschied, das Annemarie als einzige Frau sich nur auf dem Oberdeck bewegen und nicht hinunter zu den Mannschaftsräumen durfte, um die Matrosen nicht unnötig in Aufregung zu versetzen. Ich hatte jedoch auf dem ganzen Schiff uneingeschränkten Zugang. Einen Tag später liefen wir in Richtung USA aus. 

Montag, 21. bis Mittwoch, 23. April gelangten wir in der Biskaya in einem schweren Sturm. Das Schiff krängte bis zu 37 Grad auf jede Seite, stampfte und rollte durch die schwere See. Wie steil 37 Grad sind, erkennt man auf der Skizze rechts und kann sich in etwa vorstellen, wie das Leben an Bord bei dieser Schräglage ist. Am Montagmorgen erwachte ich wegen den donnernden Erschütterungen, die alle 10 Sekunden das ganze Schiff heftig vibrieren liessen. Annemarie war schon lange wach und fühlte sich hundselend. Schon mehrmals hatte sie sich im WC übergeben. Ich wollte mich anziehen, um nachzuschauen, was da los war. Wegen dem starken Seegang konnte ich mich nur liegend auf dem Bett anziehen.

Unsere Kabine war auf dem Oberdeck. Nur ein Stockwerk höher befand sich das Steuerhaus, welches über eine schmale Treppe quer zum Schiff erreicht werden konnte. Als ich vor der Treppe stand, war diese gleich einer Leiter fast senkrecht, also unmöglich zu erklimmen. Doch einen Moment später neigte sich die Treppe wegen dem Seegang in die horizontale Lage. Nachdem ich die halbe Treppe geschafft hatte, ging diese wieder in Richtung Vertikale und ich musste mich mit den Händen links und rechts an den Handläufen festkrallen, um nicht abzustürzen. Als das Treppenhaus wieder zurück in der Horizontalen war, erreichte ich das Steuerhaus. Der Käpten, der 1.Offizier, der Funker und der Steuermann konnten das Lachen nicht verkneifen, weil die Schweizer Landratte auf allen Vieren ins Steuerhaus kroch. Etwas benommen und mich überall festhaltend gelangte ich zum Steuerhausfenster. Die riesige Wasserwand, welche vorn über das Vorschiff niederstürzte versetzte mich in Angst und Schrecken. Dies war auch die Ursache der Erschütterungen durch das ganze Schiff. Während dem Sturm musste ich nie erbrechen, war aber oft hart daran und musste mich immer mal wieder für einige Zeit ins Bett legen. Der 1.Offizier war auch der Medizinmann an Bord und verabreichte Annemarie Medikamente, die aber leider nichts nützten. Auf dem WC musste man sich links und rechts festhalten, sonst flog man im Bogen von der Schüssel. Die Männer auf der Kommandobrücke hatten grosse Mühe den Frachter gegen die stürmische See zu steuern und die riesigen Brecher überschwemmten das Vorschiff so stark, dass die Container auf dem Oberdeck unter den Wassermassen kurzzeitig verschwanden. Während dem ganzen Sturm sass Käpten "Stevi" Tag und Nacht in einem Sessel im Steuerhaus, um bei schwierigen Situationen sofort entscheiden und eingreifen zu können. Nach zwei Tagen und zwei Nächten hatte sich der Sturm gelegt und Annemarie wurde von zwei Offizieren an die frische Luft getragen. Von Stunde zu Stunde ging's ihr besser und sie konnte die Seereise endlich etwas geniessen. Normalerweise dauerte die Überfahrt 10 Tage, aber wegen dem Sturm waren wir 13 1/2 Tage auf See.

Bilder von links nach rechts: Die Krängung am 4. Tag war immer noch vorhanden, aber nur noch schlappe 15 Grad gegenüber 37 Grad an den Tagen zuvor - Heinz durfte nach dem Sturm auch ab und zu die "SS American Clipper" steuern - als einzige Passagiere speisten wir selbstverständlich in der Offiziersmesse am Tisch mit Kapitän Stevens und Chefingenieur Mister Quellmalz.

Am Samstag, 3. Mai landeten wir in Wilmington, North Carolina. Die Behörde im Hafen war über unser Erscheinen erfreut, aber etwas überfordert. Nicht alle Tage kommen zwei verrückte Schweizer samt VW-Bus von Bord eines Frachters. Ohne grosse Formalitäten wurden wir durch den Zoll geschleust und unser Abenteuer im Land der unbegrenzten Möglichkeiten konnte beginnen.     

Unsere Reise setzten wir zuerst in Richtung Florida fort. Was wir an der amerikanischen Ostküste so alles erlebten, werden wir in der nächsten Ausgabe erzählen.